Österreichische Streuobstsorte des Jahres 2024
St. Veiter Pfelzkirsche
Dr. Siegfried Bernkopf, ARGE Streuobst
Allgemeine Beschreibung
Herkunft und Entstehung dieser im salzburgischen Pongau beheimateten und darüber hinaus verbreiteten Kirschensorte ist unbekannt. Entsprechend den mündlichen Überlieferungen soll sich in der Zeit von Kaiserin Maria Theresia bereits der Wiener Hof an den geschmacklich vorzüglichen Früchten dieser Sorte delektiert haben.
Die St. Veiter Pfelzkirsche fühlt sich besonders in den Höhenlagen des Salzachtales wohl, weil sie dort seit langer Zeit an die speziellen Bedingungen, wie Boden und Klima besonders gut angepasst ist. Die Bäume bevorzugen leichte sandig-schottrige Böden und windoffene Lagen, die in dieser Gegend häufig anzutreffen sind. Verbreitungsschwerpunkt ist die flächenmäßig große Gemeinde St. Veit und deren Umfeld.
Der Namensteil „Pfelzen“ („Pelzen“) weist darauf hin, dass diese Sorte schon seit langer Zeit nicht generativ (durch Aussäen von Kirschkernen), sondern vegetativ (durch Veredeln/Pfelzen auf geeignete Unterlagen) vermehrt wird. Als Unterlagen finden bevorzugt Sämlinge der Vogelkirsche, aber auch solche von Tafelkirschen Verwendung. Veredelt wird meist im Frühjahr mittels Propfung.
Die Früchte der St. Veiter Pfelzkirsche sind meist mittelgroß und in vollreifem Zustand schwarz. Das weiche purpurrote Fruchtfleisch ist süß mit geringer Säure und voll aromatisch mit mittelstarkem sortentypischem Geschmack. Die besonderen Fruchteigenschaften prädestinieren diese Sorte für die verschiedensten Verwendungen. Sie ist sowohl als Tafelkirsche beliebt und wird auch in der Küche sehr gerne verwendet (Strudel, Kompott, Marmelade etc.) Das vorzügliche Aroma und der hohe Zuckergehalt sind Gründe dafür, dass immer häufiger sortenreine Edelbrände daraus hergestellt werden. Vereinzelt wird sogar „St. Veiter Pfelzkirschen-Essig“ produziert. Die Bäume selbst sind sehr fruchtbar, robust und holzfrosttolerant. Sie sind schon seit langem unverzichtbarer, landschaftsprägender Teil der Pongauer Streuobstwiesen, können aber auch in anderen Regionen ausgepflanzt werden, in denen ähnlich günstige Boden- und Klimabedingungen dafür gegeben sind.
In Anbetracht der besonderen Frucht- und Baumeigenschaften hat sich die ARGE Streuobst entschieden, die „St. Veiter Pfelzkirsche“ als Streuobstsorte des Jahres 2024 festzulegen, der Bevölkerung bekannt zu machen und für ihre Erhaltung zu sorgen.
Ca. 60-jähriger Baum in St. Veit-Klamm
Pomologische Beschreibung
Synonyme, Herkunft, Verbreitung: „St. Veiter Kirsche“, „St. Veiter Pelzkirsche“; Herkunft unbekannt; seit mindestens 1880 primär im salzburgischen Pongau kultiviert; benannt nach dem Verbreitungsschwerpunkt im Raum St. Veit; im übrigen Österreich heute nur vereinzelt anzutreffen.
Frucht
Fruchtmuster: ca. 70-jähringer Hochstamm auf Sämling. Standort: St. Veit-Niederunterberg
Größe: klein bismittelgroß; 19,8-23,2 mm hoch; 19,9-22,4 mm breit; 16,5-19,6 mm dick;
4,2-5,8 g schwer
Form: Vorderansicht:breit bis schmal herzförmig; in Seitenansicht: typisch stumpf kegelförmig, teils schmal herzförmig; bauchseitig meist abgeflacht; rückenseitig flache breite Furche; Bauchnaht dünn, nicht auffällig; Stempelpunkt klein, grau, in minimalem flachen Grübchen, teils mit stumpfem kurzem aufsitzendem Dorn
Haut: glatt, glänzend; dunkel purpurrot bis schwarzpurpur, vollreif schwarz; dünn bis mitteldick, weich, leicht abziehbar, teils minimal bitter
Stielbucht: mitteltief, mittelbreit, Rand glatt
Stiel: mittellang, 42-52 mm, dünn, hellgrün, selten partiell rötlich gefleckt
Fleisch: purpurrot bis dunkel purpurrot;weich, sehr saftig; Saft bläulich rot färbend; süß mit geringer Säure, voll aromatisch, gering bis mittelstark sortentypisch gewürzt; Zuckergehalt: 16,7-19,3 °KMW; 81-94 °Oechsle; 19,1-22,1 °Brix
Fruchtstein: mittelgroß; Länge: 10,4-12,4 (ø 11,5) mm; Breite: 6,6-7,6 (ø 7,0) mm; Dicke: 8,3-9,7 (ø 8,8) mm; Seitenansicht: stumpf kegelförmig bis oval, stempelwärts meist zugespitzt, stielseitiges Häkchen mäßig ausgeprägt; Vorderansicht: Bauchwulst mittelbreit; Mittelkamm stielwärts etwas hervortretend; rückenseitig teils scharfe Naht
Reifezeit: 3.-4. Kirschwoche; am Standort St. Veit-Niederunterberg 3.-4. Juniwoche
Baum
Blüte: mittelspät
Wuchs, Anfälligkeit: auf Sämling starkwüchsig; Krone kugelig, im Alter hoch kugelig; robust, holzfrosttolerant;
Verwendung
Tafel, Küche, Schnaps, Essig, Marmelade
Autor, Fotos: Dr. Siegfried Bernkopf, siegfried.bernkopf@aon.at
Anfragen Edelreiser: Klaus Strasser, OSOGO: osogo@gmx.at